Ein Teil von mir findet es traurig, dass ich überhaupt über diese Thematik schreiben kann. Denn es sollte natürlich sein und auch selbstverständlich, dass man für sein eigenes Handeln einsteht. Leider wird dies kaum gefördert oder gefordert und das beginnt in meinen Augen ab dem ersten Atemzug. Doch was ich besonders erschreckend finde, es ist in grossen Konzernen die Weltweit agieren absolut nicht üblich, klar, ehrlich und allem voran transparent zu sein.

Mit 15 Jahren habe ich mich gegen eine Konfirmation entschieden und dies nach dem ich alle nötigen Aufgaben erledigt hatte. Als Enkelin eines Pfarrers, wohnhaft in einem damals wirklichen Kuhdorf, brauche ich dazu wohl nicht mehr zu sagen. Diverse Leute hatten bereits Kärtchen verschickt an uns Konfirmanden und auch Geld oder ein Geschenk beigelegt und das alles hatte ich schon bekommen. Und nun wollte ich mich nicht konfirmieren lassen. Diese Schreiben und meine Entscheidung haben dazu geführt, dass meine Mutter mich zu jeder Tür der Schenker gefahren hat (um sicher zu gehen, dass ich auch gehe) im Auto gewartet hat oder auch hinter mir stand. Das weiss ich so genau nicht mehr. Und ich habe mich bei allen die an mich gedacht haben persönlich bedankte und erklärte, dass ich mich nicht konfirmieren lasse und das ich somit das Geschenk oder das Geld nicht behalten kann. Damals fand ich es zwar nicht prickelnd, aber es hat mich auch nicht wirklich gestört. Es war eine logische Konsequenz meiner Entscheidung.

Im Nachhinein finde ich es grandios das ich das machen musste, einerseits weil es mich dazu gebracht hat hinzustehen und andererseits, weil ich sogar heute noch darauf angesprochen werde. Ich lebe wieder in diesem Dorf und eine Unternehmerin hat mich gefragt, ob ich die junge Frau sei, die sich damals nicht konfirmieren liess. Nach meiner Bejahung meinte sie, dass es sie sehr beeindruckt, habt wie ich zu meiner Meinung stand. Darauf angesprochen, dass mein zu mir stehen in jungen Jahren bis heute den Leuten bleibt, hat mich sehr berührt. Denn gerade dieses ehrliche, klare zu sich stehen wird oft nicht mit offenen Armen aufgenommen.

Ich wünsche mir, dass dies Standard ist. Diese Selbstverständlichkeit, es kann ein Fehler passieren oder eine Meinung geändert werden und man darf dies auch kundtun fehlt mir. Natürlich meine ich damit nicht, dass wir unsere Meinung ändern sollen, wie die Tageszeiten wechseln. Doch finde ich, dass man Dinge überdenken kann und dann dazu stehen soll. Idealerweise bringt man dann auch gleich eine Idee wie man es sonst machen könnte oder kann erklären, wo es hackt. Als Beispiel, warum nicht mal dem Kind so lange zuhören, bis es ausdrücken kann in seinen Worten, weshalb es sich nicht wohlfühlt.

Etwas vom faszinierendsten und eines der grössten Armutszeugnisse der «Mächtigen» in Wirtschaft und Politik finde ich, dass sie nicht zu ihren Fehlern stehen können. Wie traurig ist das denn bitte? Wir machen alle Fehler, das ist so. Meist kleine und auch mal grössere. Doch wenn man dazu nicht stehen kann und nicht mal sagen kann, «Es tut mir/uns leid» dann steht es himmeltraurig um diejenigen. Und allem voran was für eine bescheuerte Nachricht senden die denn bitte in die Welt? Ich muss perfekt sein und wenn mir ein Fehler passiert, muss ich vor laufenden Kamers so tun als würde mich das nicht interessieren. Ich stehe nicht nur darüber, ich bin besser wie andere. Saumässig blöd, einfach nur daneben. Es ist nämlich okay das wir nicht perfekt sind, nicht unfehlbar, wir sind Menschen.

Jeder Mensch zum Beispiel Politiker, die sich entschuldigen können, sind mir automatisch viel sympathischer, egal in welcher Partei diese sind. Und dies geht nicht nur mir so. Menschen, die allen auf Augenhöhe begegnen sind Menschen, die aus dem Herz leben.

Zu sich stehen heisst nicht nur Fehler eingestehen zu können, dies ist einfach eines der Themen das am meisten dazu gehört, und am meisten unter den Teppich gekehrt wird. Ich habe Jahre gebraucht, bis ich verstanden habe, dass ich anders bin und ich meine damit wirklich anders. Ich kann Dinge sehen und weiss Dinge, ohne dass ich das will. Ich wurde auch nicht gefragt, ob ich das können möchte. Es gibt Menschen, die halten mich für komisch, es gibt Menschen die halten mich für eine Lügnerin, es gibt Menschen die haben Angst vor mir und wissen gar nicht weshalb. Und dann gibt es Menschen, die sagen meinem Partner «Weisst du, ich liebe sie, denn sie hat mein Leben gerettet, in dem Sie meinen Blickwinkel verändert hat».

Teils sind die oben aufgeführten Punkte sehr unangenehm, teils zauberhaft, teils anstrengend, teils machen sie mir Angst, doch alles, aber auch wirklich alles davon bin ICH. Und das macht meine Grösse aus. Wie traurig wäre es denn, wenn wir nicht zu unserer wahren Grösse in allen Facetten stehen. Das wäre doch ein Farbfächer ohne Nuancen.

Mir kommt gerad die Geschichte des jungen Mannes in den Sinn, der fast blind war und wenn ich mich nicht täusche, im Hotel Adlon eine Ausbildung gemacht hat. Und dabei verheimlicht hat, dass er eine sehr starke Sehschwäche hat. Einerseits ist es bewundernswert, dass er trotz seiner Sehschwäche eine solch grandiose Ausbildung machte und in seine Grösse ging. Andererseits ist es traurig, dass er sein Wesen und echte Grösse verleugnen musste da er gesellschaftlich sonst die Chance vermutlich nicht bekommen hätte.

Wenn es darum geht für das eigene Handeln einzustehen heisst es auch Aussagen, die man macht, bewusst zu tun und wenn man merkt, dass man verletzend war oder zu direkt, dass man die Fähigkeit hat mit der Person darüber zu sprechen. Ich kann sehr gut damit umgehen, wenn jemand nicht meiner Meinung ist. Ich finde es auch sehr spannend, wenn jemand seinen Blickwinkel kundtut. Was ich jedoch nicht prickelnd finde ist, wenn jemand Dinge behauptet ohne zu wissen was dahintersteckt. Natürlich hat dies oft mit der Person selbst und wenig mit der anderen Person zu tun nichtsdestotrotz ist es oft anmassend und ungerecht. Allem voran sind dies meist unbewusste Versuche, Menschen aus ihrer Grösse zu holen. Teenager sind dafür ein super Beispiel zum Beobachten, wenn jemand etwas richtig gut kann und in seine Grösse kommt. Zu Beginn wird er runter gemacht und wenn er zum Pro wird angehimmelt. Es läuft auf der Teppichetage nicht viel anders, damit der junge ungestüme im Zaum gehalten wird, wird er ruhig gehalten und sogar rundgemacht. Wenn er dann 10 Jahre später bei einem anderen Unternehmen einen hohen Posten bekleidet, heisst es plötzlich, den haben wir geformt. Es ist genau dieselbe Energie und das mangelnde Bewusstsein. Der Unterschied ist die Szenerie und das Alter.

Im Übrigen kann man sich folgendes gut merken, wenn man ungefragt angeprangert wird oder ansonsten angegangen wird. Falls überhaupt Kommunikation stattfindet, ist diese dann auch meist nur noch einseitig. Hat es was mit mir zu tun? Und meist merkt man dann, nein, die Person projiziert ihr Thema ins Aussen auf eine andere Person.

Auch wenn jemandem so etwas rausrutscht und verbohrt wirkt, finde ich man sollte der Person die Chance geben mit einem zu sprechen. Ich bin immer noch für die Kommunikation, für den ehrlichen Austausch, für die Klärung. Ja ich weiß viele können dann nicht hinstehen, doch das wäre Grösse. Ich wünsche mir von ganzem Herzen das viel mehr Arbeitgeber ihre Mitarbeiter dazu auffordern. Denn wenn darüber gesprochen wird, merken alle beteiligten a) das es nicht weh tut b) allen beteiligten geht es danach besser und c) man wächst an sich selbst. Das sollte das normalste der Welt sein.

Menschen in ihrer Grösse reflektieren und kommunizieren auf einer ganz anderen Ebene, denn das Ego hat Pause oder wenn dann nur einen kurzen Moment was zu sagen.

Also ab in die wahre Grösse, sie beisst nicht!