Ich gebe zu, dass ich langsam den Ausdruck Hochsensibel im Zusammenhang mit meiner Person kaum mehr hören kann. Wieso? Weil ich persönlich ihn oft als Entschuldigung empfinde. Ja, es gibt viele Hochsensible Menschen. Im Grunde sind wir es nämlich alle. Bei den einen sind die Antennen einfach verstopft oder werden wegerzogen. Man kann Menschen wie mich durchaus mit dem Wort Hochsensibel etwas erklären. Ich habe zum Beispiel ein sehr feines Gehör. Was bedeutet dies im Alltag, ich kann aus dem nichts irritiert den Kopf drehen. Im Sinne von, dass ich mitten in einer Stadt, wo Trubel herrscht, plötzlich etwas höre, was nicht zu den «Standard» Geräuschen gehört. Damit gilt es einfach umzugehen, suchen, einordnen, ablegen. Klingt einfach, ist es auch, im Sinne von Übungssache.

Wenn ich mir bewusst bin, wer ich bin, was ich für sensible Antennen habe, dann kann ich auch damit ein geniales Leben führen. Meine speziellen Talente haben schliesslich auch ihre Vorteile. Und wenn ich diese kenne, kann ich das Optimum aus mir rausholen. Meine feinen Antennen ermöglichen es mir sehr präzise die Menschen zu lesen. Kurzer Einschub, es wird niemand gelesen, der nicht darum bittet. Niemals ungefragt rein senfen (Kapitel 1, Seite 10, Intuition to go).

Einerseits habe ich durch meine Art eine sehr breitgefächerte Form der Informationsaufnahme. Andererseits kann ich sehr präzise die Themen ansprechen ohne dabei wie ein Elefant im Porzellanladen zu wüten. Und dies hat für mich auch damit zu tun, dass ich bewusst BIN. Und hier kommt schon der Unterschied Hochsensibel und BewusstSEIN meines Erachtens zu Tage.

Das Wort Hochsensibel beinhaltet für mich, ausser direkt nach der Diagnose, immer eine leichte Entschuldigung. «Weil ich hochsensibel bin, kann ich das und das nicht», «Durch meine Hochsensibilität ist mir das und das nicht möglich» usw. Nicht falsch verstehen, auch ich weiss, dass es Dinge gibt, die man wirklich nicht stemmen kann. Spannenderweise, sind diese Betroffenen oft die, die es auf die stille Art einfach nicht machen.

Ich gehe jedes Jahr nach Luzern an die Fasnacht und glaubt mir, das ist Arbeit für mein Sein. Doch habe ich meine liebe Freundin, die mich sehr gut kennt und mit mir diesen Tag verbringt. Allein, allein wäre ich mit der Zeit komplett überfordert. Natürlich gibt es Dinge, die ich durch meine Art nicht bewältigen kann. Und genau darum ist es mir wichtig, dass ich mir klar bin, ich bin bewusst im SEIN mit meinen Feinheiten. Ich habe zum gelernt, dass es völlig okay ist einen Anlass abzusagen. Wenn ich davor schlaflose Nächte, Magenkrämpfe und sonstige Kapriolen habe, dann bin ich mir heute bewusst. Eine Stunde in einer solchen Situation und ich bin komplett erschöpft. Also lieber ehrlich sein und absagen, wie mich quälen. Auch hier gilt es, ehrlich mit sich zu sein, denn kein Bock, ist nichts hochsensibles, sondern einfach menschlich.

Musik ist etwas unglaublich energetisierendes. Bei Konzerten wird es dann schon wieder schwierig. Doch auch da habe ich gelernt, ich höre nur, was ich hören will. Durch dieses feine Gehör und meine bewusste Verbundenheit damit, kann ich es auch so justieren, dass ich das höre, was mir wichtig ist. Den Rest stelle ich auf Pause, wenn es ums Hören geht. Damit ich dies tun kann, gilt es mit all meinen feinen Sensoren im Vertrauen zu sein. Logischerweise bin auch ich da steinzeitlich unterwegs und versuche in allen Varianten Gefahren wahrzunehmen. Wenn ich also einen Teil meines Gehörs auf Pause schalte, ist mein natürliches Abwehrsystem evtl. gestresst. Ich entscheide also bewusst die Musik zu kanalisieren und informiere die anderen Antennen, dass es okay ist und ich ihnen vertraue es auch so managen zu können. Und da liegt der kleine feine Unterschied. Ich gehe bewusst mit meinen hochsensiblen Anteilen um. Somit kann ich mein Leben wunderbar leben und muss mich nicht einschränken, ausser ich will es.

Es ist wichtig, dass man für die Mitmenschen ein Wort hat zum Erklären was mit dem Kind los ist, wenn es das «geplärre» des Radios nicht erträgt. Dann kann man sagen, mein Kind ist hochsensibel. Doch dann gilt es dem Kind klarzumachen, dass es bewusst damit umgehen kann. Ich war im Übrigen so ein Radio-Problem-Kind. Ich habe regelmässig beim Mittagessen fast durchgedreht, weil das Radio lief, meine Familie quatschte und all die nonverbalen Sachen prasselten auch noch auf mich ein. Und ich hatte wie viele andere Kinder auf diesem Erdball einen Elternteil, der dies absolut nicht nachvollziehen konnte. Das ist okay, aber dann holt euch Hilfe von Profis für das Thema. Im Übrigen ist es auch oft bei Erwachsenen nicht erkannt, doch die haben einfach ihre Strategie entwickelt im Aussen damit umzugehen.

Wenn man das Gefühl hat, jemand ist hochsensibel, das Thema bitte ansprechen. Denn es gibt da draussen Profis, die es benennen können. Und dann in den bewussten Umgang damit begleiten. Es verhindert, dass wir als Mensch mit Ticks oder Problemen abgestempelt werden. Auch als Arbeitgeber macht es sinn einen Mitarbeiter darauf anzusprechen, wenn man das Gefühl hat er ist hochsensibel. Wieso? Weil wenn die Person es benennen kann, annimmt und damit umgeht ist sie garantiert gelöster und als Mitarbeiter glücklicher. Von «hej ist der komisch» kommt man zu, er ist so wie er ist. Und das ist für alle Beteiligten besser. Und kommt somit ins Bewusstsein damit umzugehen.